Ein Spaziergang durch die historische Tübinger-Kaffeehaus-Geschichte

Tübingen hat eine süße Vergangenheit: Anfang des 20. Jahrhunderts gab es in der Stadt zahlreiche Kaffeehäuser, darunter auch das Café Walz, welches als die Geburtsstätte der Schwarzwälder Kirschtorte gilt. Wandeln Sie mit uns auf den Spuren der Tübinger Kaffeehaus-Geschichten. In den heute noch bestehenden Gebäuden finden Sie während der Adventszeit Schautafeln zu den ehemaligen Kaffeehäusern.

Geführte Rundgänge können aufgrund der aktuellen Situation gerade leider nicht stattfinden. Mit Hilfe unserer Broschüre Auf den Spuren der Schwarzwälder Kirschtorte können Sie jedoch Tübingens Kaffeehausgeschichte auf eigene Faust erkundigen. Die Broschüre erhalten Sie während der chocoZEIT an der chocoINFO am Holzmarkt.

Die Kaffeehäuser

Konditorei / Café / Restaurant Pomona in der Neckargasse 18
Neckarfront
Foto: Gebr. Metz, Tübingen
ca. 1930er Jahre
aus Akte A 540/254
Stadtarchiv Tübingen, D 150/146-000 P

Neckargasse 22, heute Telekom-Shop

1902 – 1971
Das Pomona war in erster Linie eine vegetarische Speisewirtschaft
und deshalb nach der römischen Göttin des Obstes
benannt. Seit 1902 wurde außerdem auch Kaffee und Kuchen
angeboten. 1936 waren Juden im Pomona unerwünscht und
die Inhaber verschenkten Reisenecessaires mit der Aufschrift:
“Pomona-Café in Tübingen – judenfrei!“

Kronenstraße 19, heute ONLY

886 – 1951
Ernst und Rudolf Walz waren königliche Hofkonditoren. Königin
Charlotte von Württemberg kaufte hier Marzipan und Tübinger
Schlosstörtchen, die sie an befreundete europäische
Fürstenhäuser verschickte. In diesem besten Haus am Platze,
das schon 1931 über eine kleine Terrasse verfügte, kreierte der
Konditor Erwin Hildenbrand 1930 die erste Schwarzwälder
Kirschtorte der Welt.

Am Marktplatz, heute Ranitzky

1901 – 1972
Emma Pfuderer war eine resolute Wirtin, die sich beherzt mit
der Obrigkeit anlegte. Während des Nationalsozialismus setzte
sie sich gerne über Vorschriften hinweg und in den 50er-
Jahren verkaufte sie sonntagnachmittags trotz Verbot Kuchen
und Torten. Am 10. Juli 1972 legte ein Brandstifter Feuer.
Das Haus brannte vollständig aus. Emma Pfuderer konnte in
einer dramatischen Rettungsaktion geborgen werden.

Am Marktplatz, heute Silberburg am Markt

Tübingen a. N. Marktplatz
Restaurant Silberburg
Original-Eigentum Gebr. [Gebrüder] Metz, Tübingen
Stadtarchiv Tübingen, Postkartensammlung Hartmaier Album 60

Ende 19. Jahrhundert
Der Name ist Programm: In der Silberburg hat vor allem die
Stadtkämmerei ihren Sitz. Schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts
gab es im Erdgeschoss des Hauses am Marktplatz
eine Gastwirtschaft. 1947 wurde hier die Geschäftsstelle der
nach dem Krieg neu gegründeten Volkshochschule untergebracht.
Heute finden sich hier regionale Spezialitäten aller Art
in einem gemütlichen Stehcafé.

Hirschgasse 9, heute Café im Hirsch

seit 1981
Der Gasthof zum Hirsch war im Ersten Weltkrieg einem Bombenangriff
zum Opfer gefallen. 1929 eröffnete hier ein Kino,
das bis 1977 Bestand hatte. 1981 zog der Trägerverein ein, der
sich zur Rettung des legendären Café Völter gegründet hatte.
Das Café wird nach wie vor in Selbstverwaltung bewirtschaftet.

Hafengasse 2, heute Café Hanseatica

Hafengasse, 1955, [Hafengasse 2, Wilhelmsstift]Foto: Albrecht Faber, Scan vom Kleinbildfilm-Dia

seit 1959
Das „Hanse“ war eine Filiale einer Hamburger Großrösterei,
besaß von Anfang an eine echte Siebträgermaschine und
brühte damit den besten Kaffee Tübingens. Das Stehcafe mit
den Tischen aus Marmorimitatresopal galt als der Ort mit der
höchsten Professorendichte außerhalb der Universität und
wurde ein fester Bestandteil im Tagesablauf vieler Tübinger.
Schüler und Studenten zahlten einen Spezialpreis, was das
„Café Senkrecht“ zum bevorzugten Ort für Hohlstunden werden
ließ.

Pfleghofstraße 10, heute Schwarzes Schaf

Café Lutz
mit Porträt von Adolf Hitler an der Wand,
Hitlerporträt

1847 – 1968
Um seine Bäckerei zum Café erweitern zu dürfen, schlug Karl
Lutz der Stadtverwaltung eine Erweiterung der Mühlstraße
auf seine Kosten vor, indem er sein Haus um 1,5 m einkürzte.
Das Angebot war so verlockend, dass er zum Cafébetrieb
auch die begehrte Vollkonzession erhielt, die Alkoholausschank
erlaubte. Nach dem Umbau zählte das Café Lutz zu
den größten Betrieben der Stadt.

Neue Straße 12, heute Boutique Renate Bürkle

1919 – 1981
Das Konditorei-Café Völter galt als Tübingens Kaffeehaus. Die
Größe und die Ausstattung mit den Marmortischen machten
es zu etwas Besonderem und zu einem Intellektuellen-Treffpunkt,
wo der Philosoph Ernst Bloch Stunden bei Wein und
Käsestangen zubrachte.
Als das Café Völter 1981 geschlossen werden sollte, wurde eine
Bürgerinitiative zu dessen Rettung gegründet.

Neue Straße 4, heute Café Lunette

Neue Straße
Stadtgarde zu Pferd
Café Bausch / Restaurant Kommerell / Färberei Printz
1920er Jahre ?
Foto: Reichert ?
Glasnegativ aus dem Nachlass von Friedrich Reichert, 1897-1936, und seiner Tocher Margarethe Giebler, geb. Reichert, 1924-1995
Abzug in Fotslg. 959

1906 – 1940
Konditoreicafés wie das Café Bausch boten einen öffentlichen
Rahmen für die Kaffeetafel, die sich in Deutschland etabliert
hatte. Frauen verbrachten hier ihre Freizeit – das war
neu und verlangte nach einem stilvollen Rahmen, wie man
an dem denkmalgeschützten Mobiliar sehen kann. Nach
dem Zweiten Weltkrieg war hier ein französisches Kaufhaus
untergebracht.

Neue Straße/Ecke Schulberg, heute BallonFee

Restaurant, Cafe´ Kommerell

1839 – 1953
Die Übergänge zwischen Café und Kneipe waren in Tübingen
oft fließend. Das Kommerell mit dem Wirt Martin Lemmer
war ein beliebter Treffpunkt für Studentenverbindungen, die
nachts die Neckargasse hinaufzogen und sangen: “Wir sind
die Lemmergeier vom Café Kommerell!“
Angeblich beschwerte sich in der Nachbarschaft niemand
über den Lärm.

Schulberg 4, heute petit Marrakech

Pfleghof ( Akad. Musiksaal ) und Konditorei, Cafe´ Spiess

897 – 1952
1897 übernahm der Konditor Nikolaus Spiess die Schankwirtschaft
am Schulberg, um ein Café mit feinsten Konditoreiwaren
und Pralinen zu betreiben. In den 20er-Jahren verfügte
das Café über ein Damenzimmer, in dem sich die Tübingerinnen,
unbelästigt von Rauch und Zuhörern, zum Kränzchen treffen konnten.
Um 1950 spielte man hier gerne Schach.

Schwarzwälder-Kirschtorte essen

In folgenden Tübinger Cafés kommen Sie täglich in den
Genuss einer Schwarzwälder Kirschtorte*

Café Lieb, Karlstraße 3
Mo – Sa: 6 – 20 Uhr
So + Feiertage: 7 – 19 Uhr

Padeffke Kaffeehaus, Karlstraße 6
Mo – Fr: 7-19 Uhr
Sa: 7 – 18 Uhr
So: 8 – 18 Uhr
Feiertage: 8 – 17 Uhr

Ludwigs, Uhlandstraße 1
Mo + So: 8 – 23 Uhr
Di – Sa: 8 – 1 Uhr

*Angaben ohne Gewähr

Café Binder, Nonnengasse 4
Mo – Sa: 10 – 17 Uhr
So + Feiertage: geschlossen

Konditorei Röcker, Neckargasse 16
Mo – Fr: 8 – 18:30 Uhr
Sa: 8:30 – 18 Uhr
So: 11 – 18 Uhr

Ranitzky, Am Markt
Mo: geschlossen
Di: 11 – 18 Uhr
Mi + So: 10 – 0 Uhr
Do – Sa: 10 – 1 Uhr

Rezept Schwarzwälder Kirschtorte

Zutaten

Bisquitboden
250g Zucker
300g Mehl
2 EL Kakaopulver
7 Eier

Verzierung
Kaiserkirschen und Schokoraspel bzw. gehobelte Kuvertüre

Füllung
1,2 Ltr. Sahne
50g Zucker
3 Tütchen Sahnesteif (oder 3 Blatt Gelatine)
400g Sauerkirschen
1/4 l Kirschsaft (z.B. von Sauerkirschen)
4 gestrichene EL Mondamin (Speisestärke)
50-100ml Kirschwasser

Zubereitung des Bisquitbodens
Eier und Zucker ca. 15 Minuten schaumig rühren. Mehl, Kakao-Pulver sieben und vorsichtig unter die Masse heben. In einer Ringform im Backofen ca. 30 min bei 180 – 200 °C backen. Damit der Boden gleichmäßig hoch wird, zum Auskühlen auf den Kopf stellen. Der Boden ist besser zu verarbeiten, wenn Sie diesen am Vortag backen.

Fertigstellung der Kirschtorte
Den Boden in 3 gleiche Teile schneiden. Die gut gekühlte Sahne mit dem Zucker steif schlagen. Wird die Torte innerhalb eines Tages serviert, benötigen Sie keine weiteren Zusätze. Soll Sie später serviert werden, empfehlen wir Sahnesteif oder Gelatine (zur steifen Sahne) hinzuzugeben. 1/4 L Kirschsaft aufkochen, das in etwas Kirschsaft aufgelöste Mondamin dazugeben und unter Rühren nochmal aufkochen. Vom Herd nehmen, Sauerkirschen einrühren und abkühlen lassen. Noch ca. 20 ml Kirschwasser einrühren und dann gleichmäßig auf dem unteren Boden verteilen. Eine Schicht Sahne auf die Kirschen verteilen, den zweiten Boden darauflegen, leicht andrücken, mit Kirschwasser beträufeln. Nun den Spritzbeutel mit Sahne füllen. Die restliche Sahne auf dem obersten Boden und am Rand gleichmäßig verstreichen. Jetzt Schokoraspeln anwerfen. Mit dem Spritzbeutel Rosetten aufspritzen und mit Kaiserkirschen verzieren. Torte vor dem Servieren gut kühlen. Besonders intensiv schmeckt die Torte, wenn Sie etwas Kirschwasser in die Sahne geben und die Sauerkirschen über nacht in etwas Kirschwasser einlegen (Nicht geeignet für Kinder, da Alkohol enthalten).

Das Tübinger Kirschle

Tübingen gilt als der „Geburtsort“ der berühmten Schwarzwälder
Kirschtorte. Erdacht und erstmals gemacht vom Tübinger
Konditormeister Erwin Hildenbrand im Frühjahr 1930
im Cafe Walz in Tübingen.
Diesem geschichtlichen Hintergrund gewidmet, folgt nun
die Idee aus Verbundenheit zur Stadt Tübingen und ihren
Bürgern, über die Grenzen hinaus, eine besondere Praline zu
kreieren, einzigartig und mit hohem Wiedererkennungswert.
Entstanden ist eine ovale Praline aus knackiger Hülle, Zartbitter-
Schokolade, mit einer zartschmelzenden Schwarzwälderkirsch-
Sahnetrüffelfüllung aus frischer Sahne, Grand-Cru-Bitterschokolade
vom Edelkakao, Schwarzwälder Kirschwasser
und einer eingelegten, herzhaften, stückigen Kirsche, „beschwipst“
mit Schwarzwälder Kirschwasser.

Erhältlich ist das Tübinger Kirschle in Tübingen ganzjährig in der Silberburg am Markt.